Søren Fog, 55-jährig , ist ein im Crypto Valley Zug wohnhafter und wirtschaftlich verankerter, weltweit bekannter Internet- und Blockchainpionier mit dänischer Abstammung. Er war Mitgründer und bis Februar 2019 Vorstandsmitglied der Crypto Valley Association, Zug. Heute führt er die 2014 von ihm gegründete iprotus, Walchwil. Dieses auf Blockchainintelligenz beruhende Softwareentwicklungsunternehmen bietet Lösungen in den Bereichen Bitcoinintegration, Bekämpfung von Medikamentenfälschungen, Optimierung von Lieferketten und Markenschutz sowie Verbesserung des Informationsflusses und der Schadenabwicklung bei Versicherungen. Im Gespräch mit den «winVS-E-News» erläutert Søren Fog, welchen Einfluss die Blockchaintechnologie in Zukunft haben könnte.
Søren Fog, was ist die Blockchaintechnologie?
Søren Fog: Auf den Punkt gebracht: Die Blockchaintechnologie erlaubt es zwei Internetnutzern, die sich nicht kennen müssen, untereinander direkt Transaktionen abzuwickeln, und zwar ohne jegliches Zwischenglied, das die Integrität und das Vertrauen in die Transaktionen gewährleisten muss. Quintessenz: Die Blockchain ist die Automatisierung von Vertrauen. Heute braucht es bei vielen alltäglichen Handlungen wie beispielsweise Hauskäufen- und -verkäufen, Kreditgeschäften, oder Versicherungsanträgen Mittelsleute, die das für die Transaktionen notwendige Vertrauen schaffen. Paradebeispiele dafür sind Notare, Banker oder Versicherungsbroker. Wenn Transaktionen auf einer Blockchain beruhen, braucht es keine Mittelsleute mehr: Das Vertrauen wird in virtueller Form automatisch und kostenlos geschaffen.
Was könnte uns die Blockchaintechnologie bringen?
Søren Fog: Die Kryptowährungen wie der Bitcoin als deren bekanntester Vertreter deuten an, wie die Blockchaintechnologie dank der Automatisierung des Vertrauens und der Digitalisierung aller Prozesses die Übertragung von Werten revolutionieren könnte: Ohne Bank, Notar oder andere Vermittler können Währungseinheiten oder Wertanteile bis in die kleinsten Fraktionen kostenlos in Echtzeit von einer Person zur andern gelangen. Wenn mir dann jeweils entgegnet wird, die Kryptowährungen seien heute nach wie vor eine Randerscheinung, erzähle ich gerne aus dem Leben von Marco Polo. Im 13. Jahrhundert ist dieser nach einer 30-jährigen Weltreise nach Venedig zurückgekommen. Er wirbelte mit Papiergeld durch die Stadt und sagte, in China bestehe das Geld aus Papier und nicht aus Silber oder Gold. Man lachte. Tatsächlich dauerte es dann noch einige Jahrhunderte, bis sich das Papiergeld überall durchsetzte – und sich bis heute behauptet. Der Grund dafür: Papier ist viel handlicher und leichter austauschbar als Silber oder Gold. Diese Geschichte zeigt, wie lange es dauern kann, bis sich im Transaktionsbereich eine kluge Idee gegen festverankerte Gewohnheiten durchzusetzen vermag. Ich bin jedoch fest der Meinung, dass die auf der Blockchaintechnologie beruhenden digitalen Transaktionstechniken dank des automatisierten Vertrauens eines Tages das Papiergeld und die heutigen Transaktionsarten von Wertanteilen verdrängen werden.
Wie sehen Sie die Auswirkungen der Blockchaintechnologie im Versicherungsbereich?
Søren Fog: Soweit ich es überblicken kann, sind heute praktisch alle Risiken bekannt, die von Versicherern aufgrund der klassischen versicherungsmathematischen Methoden versichert werden können. Mehranteile am Versicherungskuchen mussten deshalb bislang über Preissenkungen dank Prozessoptimierungen oder aggressivem Marketing erobert werden. Die Blockchaintechnologie erlaubt es nun den innovativen Versicherern, über eine zuverlässigere und bessere Sammlung von vertrauensvollen Daten, die Suche nach versicherbaren Risiken zu verfeinern und auszuweiten. Das erlaubt, neue Versicherungsprodukte auf den Markt zu bringen oder bestehende Versicherungsprodukte viel individueller zu gestalten.
Wird entsprechend der Crowdfinanzierung auch die Crowdversicherung kommen?
Søren Fog: Tatsächlich haben die von der Blockchaintechnologie ermöglichte Dezentralisierung und die damit verbundene Innovation der Crowdversicherung ein grosses Potenzial, das bisherige Versicherungsgeschäftsmodell infrage zu stellen. Wir sind zwar noch nicht so weit, aber das wird bestimmt eines Tages kommen: Private werden sich über vertrauensvolle virtuelle Pools gegenseitig versichern, und zwar ohne kostenverursachende Versicherer und Versicherungsvermittler.
Was sind eigentlich derzeit noch die grössten Probleme der Blockchaintechnologie?
Søren Fog: Die Blockchaintechnologie, die ja noch in den Kinderschuhen steckt, ist mannigfaltig herausgefordert. Da sind beispielsweise die wegen der hohen Vertrauensanforderung ungenügende Skalierbarkeit, die zu kleine Zahl von Transaktionen in einer Sekunde. Auch das unglaublich viel Strom fressende Bitcoin-Mining ist ein Phänomen, das die Verbreitung der Technologie im Währungsbereich hemmt. Das heisst: Es braucht eine bessere Technologie. Ich bin allerdings überzeugt, dass die Blockchaintechnologie laufend erfolgreich weiterentwickelt wird und sich dann mehr und mehr durchsetzt. In der verbesserten Form wird sie dann manche bislang erfolgreiche Geschäftsmodelle herausfordern.
Ihr abschliessender Gedanke zur Zukunft der Blockchaintechnologie?
Søren Fog: Die jüngste Wirtschaftsgeschichte hat zu einer unglaublichen Vermögenskonzentration in wenigen Händen geführt. Das birgt enorme politische Risiken in sich, wie jüngste Entwicklungen zeigen. Die Blockchaintechnologie wird dank der kostenlosen Automatisierung des Vertrauens die Möglichkeit schaffen, dass alle Menschen mit den tiefst möglichen Eintrittshürden und ohne teure Vermittler und Berater an mannigfaltigen Märkten teilnehmen können. Die Blockchaintechnologie hat deshalb das Potenzial, zur Schaffung einer besseren und faireren Welt beizutragen – und damit die derzeit ungleiche Reichtumsverteilung etwas auszugleichen.